Im Auftrag des Bundesministerium für Inneres und Heimat (BMI), haben wir uns von 2021 – 2023 mit dem Thema Digitale Identitäten auseinandergesetzt. Gemeinsam wollten wir die Online-Ausweisfunktion (eID) in den Alltag der Bürger:innen stärker integrieren. Dafür untersuchten wir zunächst die Ursachen und Hürden, die der Nutzung der eID zum damaligen Zeitpunkt im Weg standen. Anhand dieser Erkenntnisse entwickelten wir ein Lösungspaket. Hier eine Auswahl der Projektergebnisse:
- BundesIdent App
- Anwendungsfall: Grundsteuererklärung für Privateigentum
- PIN-Brief-Iteration
- Handlungsempfehlungen für den Abbau von Nutzungshürden
- Exploration eines Gerätewechsels mit WebAuthn
- Entwurf eines Einrichtungsassistenten für die AusweisApp2
- Was hindert den Online-Ausweis an dem Sprung in die breite Masse?
- Quantitative Studie zur eID
- Ergebnisbericht: Usability-Test eID & AusweisApp2
- Ergebnisbericht: Nutzung der eID durch Diensteanbieter
- Ergebnisbericht: Interviewkonsolidierung
- Fünfzehn allgemeine Handlungsempfehlungen für eine erhöhte Verbreitung der Online-Ausweisfunktion basierend auf qualitativer Forschung aus 2021
- Nutzungsreise der Bürger:innen und Diensteanbieter
- Mögliche Ansatzpunkte zur Anpassung von technischen eID-Richtlinien und der Personalausweisverordnung anhand von Beobachtungspunkten der User-Journey mit der eID
- Der Online-Ausweisfunktion zum Durchbruch verhelfen
- Erste Erkenntnisse aus dem Testbetrieb von BundesIdent
- BundesIdent läuft nach Pilotphase aus, Erkenntnisse fließen in Gesamtvorhaben ein
- Handlungsempfehlungen aus unserem Projekt BundesIdent
Mit der BundesIdent App und einem digital fähigen Ausweisdokument können sich Nutzer:innen online identifizieren. Nutzer:innen werden Schritt für Schritt durch den gesamten Identifizierungsprozess geführt. Mithilfe des Web-Widgets wird der Einstieg in die App erleichtert. Durch ein zeitgemäßes Design und einer bundesnahen Gestaltung durch die Orientierung am Corporate Design Styleguide wird Vertrauen in die Lösung geschaffen und damit die Akzeptanz der Online-Ausweisfunktion gestärkt. Auf Basis der Nutzungsdaten wurde das Nutzungserlebnis kontinuierlich optimiert (u.a. durch A/B-Tests) und das Produkt ziel- und nutzerorientiert um weitere Funktionen ergänzt. So konnten Abbruchquoten durch iterative und schnelle Weiterentwicklung reduziert werden.
- Technische Architektur
- Backend
- BundesIdent für Android
- Design der BundesIdent App für Android in Figma
- BundesIdent für iOS
- AusweisApp2 Wrapper iOS
- Design der BundesIdent App für iOS in Figma
- User Flow als PDF
- Beispielandwendung und das zugehörige SDK
- Namensgebung der eID-App
- Illustrationen
- Widget
Um die App aufzulockern, haben wir eine Reihe an Illustrationen in Auftrag gegeben. Die Illustrationen kommen vor allem dann zum Einsatz, wenn es einen Fehler gibt oder für die Nutzenden ein Mehraufwand entsteht.
Die Einbindung von BundesIdent in den Online-Dienst „Grundsteuererklärung für Privateigentum“ erfolgte über ein ebenfalls von uns entwickeltes Widget. Dieses wurde so ausgestaltet, dass es die einfache Integration in vielfältige Online-Services ermöglicht und perspektivisch ein einheitliches Nutzungserlebnis bei der digitalen Identifikation bietet.
Das Widget beim Online-Dienst ist ein Berührungspunkt mit viel Potential, vor allem bei der Erstnutzung. In einem Prototypen haben wir erarbeitet, wie eine Ausbaustufe des Widgets funktionieren könnte: www.widget-iteration.webflow.io Das Widget wird dabei auf einen Button reduziert: »Mit Ausweis identifizieren«. Wenn eine eID-App bereits installiert ist, öffnet sich nach einem Tap die App. Wir können hier nämlich davon ausgehen, dass sich die Nutzer:innen bereits erfolgreich mit der eID identifiziert haben. Sollte noch keine eID-App installiert sein, werden die Nutzer:innen mit einfachen Fragen im Widget durch die Erstnutzung geleitet. Dabei werden Schritt für Schritt die Anforderungen abgefragt. Dazu gehören unter anderem ein kompatibles Smartphone, ein kompatibler und gültiger Ausweis sowie die PIN oder der PIN-Brief. Wird eine dieser Anforderungen nicht erfüllt, kann frühzeitig im Widget eine Lösung aufgezeigt werden und somit die Abbruchquote verringert werden. Dieser Prototyp wurde noch nicht mit Nutzer:innen getestet.
Die detaillierte Zusammenfassung zur Namensgebung als PDF.
Um einen passenenden Namen für die eID-App zu finden, haben wir Pop-Up Tests, User-Interviews, eine quantitative Umfrage durchgeführt und uns Input von einem Bundesland und einer Kommune eingeholt.
„Bundes“ beschreibt, woher es kommt: entwickelt vom Bund. „Ident“ beschreibt, was es macht: identifizieren.
- verständlich
- vertrauenswürdig
- nicht technisch
- nicht technisch
- einfach & verständlich
- Bundesbezug ist kein Problem
- Bundesbezug ist vertrauenserweckend
- verständlich
- beschreibt die Aufgabe, nicht die Technologie
- nachhaltig
Von November 2022 bis Juni 2023 war es möglich, sich für den Online-Dienst „Grundsteuererklärung für Privateigentum“ mit der BundesIdent App zu identifizieren. Die Einbindung erfolgte über ein ebenfalls von uns entwickeltes Widget. Dieses wurde so ausgestaltet, dass es die einfache Integration in vielfältige Online-Services ermöglicht und perspektivisch ein einheitliches Nutzungserlebnis bei der digitalen Identifikation bietet. Das ungekürzte Videodemo.
Grundsteuerflow vom 8. Mai 2023 als PDF
Grundsteuer_SetupIdent_SpeedUp_Uncropped.mp4
- 83.000 App Downloads für iOS & Android von Januar bis Juni 2023
- 30.000 Identifizierungen mit BundesIdent von Januar bis Juni 2023
- 23.000 Neueinrichtungen des Online- Ausweises von Januar bis Juni 2023
- 34 Deployments im Januar 2023
- 10 App-Releases seit Launch von November 2022 bis Juni 2023
Umfrageergebnisse von Nutzenden zur Verwendung von BundesIdent imOnline-Service „Grundsteuererklärung für Privateigentum”
Frage an die Nutzenden nach dem Abbruch der Identifikation mit BundesIdent.
1460 Rückmeldungen vom 7. März bis 31. Mai 2023.
- Etwa 82 % der Nutzenden erfüllten die Voraussetzungen nicht.
- ca. 73 % ohne PIN/PIN-Brief
- ca. 6 % ohne kompatiblen Ausweis
- ca. 3 % ohne kompatibles Smartphone
- Etwa 9 % gaben an, dass der Prozess insgesamt zu kompliziert war bzw. einfach nicht funktionierte.
- Etwa 2 % gaben Probleme beim Scannen als Abbruchgrund an.
- Zu je 1 % wurden fehlende Erläuterungen sowie der Umweg einer notwendigen Identifizierung am Mobiltelefon genannt, der zu kompliziert war und mehr Führung gebraucht hätte. Wenn die Person am Desktop startete, musste sie sich mit dem Magic Link auf dem Mobilgerät anmelden, bevor eine Identifizierung möglich war.
- 5 % gaben sonstige Rückmeldungen.
Frage an die Nutzenden nach erfolgreicher Identifizierung.
232 Rückmeldungen vom 23. März bis 31. Mai 2023. Daten sind wegen der geringen Anzahl an Rückmeldungen nicht aussagekräftig.
- Etwa 20 % der Nutzenden waren zufrieden.
- Etwa 28 % der Nutzenden brauchten viele Versuche und fanden den Prozess insgesamt zu schwierig.
- Etwa 16 % merkten an, dass das Scannen schwierig war.
- Etwa 10 % fanden den Desktop-Workaround zu schwierig.
- Zu je 5-6 % wurde angemerkt, dass Erläuterungen fehlten und dass es nur eine App geben sollte – nicht AA2 und BundesIdent parallel.
- 15 % gaben sonstige Rückmeldungen, die teilweise ohne Bezug zu BundesIdent waren.
Der neue PIN-Brief als PDF und der alte PIN-Brief als PDF. Design und Entwürfe in Figma.
Um die Erstnutzung zu erleichtern, haben wir die Texte gekürzt und vereinfacht. Die sechs Anwendungsbeispiele inklusive Logo der Diensteanbieter machen den Mehrwert verständlicher. Die drei Prozessschritte mit ihren Grafiken auf der zweiten Seite verdeutlichen den Einrichtungsprozess. Bei der nächsten Version könnten die Texte und das Layout weiter iteriert werden, auch vom PIN-Rücksetztbrief. Eine detailliertere Analyse des PIN-Briefes gibt es im Ergebnisbericht Usability‑Test eID & AusweisApp2.
Empfehlung aus der Analysephase* | Erfahrungen aus dem Live‑Betrieb** | Weitergehende Empfehlung |
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Nutzende sollten einen Service auf ihrem Desktop-Computer starten und sich mittels Smartphone identifizieren können, ohne dabei zwei Apps installieren und die Geräte koppeln zu müssen. Ziel: eine nahtlose Nutzungserfahrung. | Anfragen aus dem Support und weitere Nutzertests zeigen: Hier springen Nutzer:innen ab. Deshalb wurde auf dem Standard WebAuthn basierend technisch ein Flow getestet, um Sicherheit und Nutzungsfreundlichkeit zu gewährleisten. Aktueller Stand auf Github. | Es muss ein nahtloser User-Flow ermöglicht werden. Dazu sollte ein optimierter Flow mit Nutzer:innen getestet und zum MVP entwickelt werden. Parallel sollte ein Konto-basierter Flow, z.B. mithilfe der BundID, getestet werden. |
Empfehlung aus der Analysephase* | Erfahrungen aus dem Live‑Betrieb** | Weitergehende Empfehlung |
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PIN-Brief und AusweisApp2 können akut verbessert werden, um schnell Erfolge zu erzielen. Ziel: Bürger:innen kennen die PIN für ihren Ausweis und das Rücksetzen ist einfacher. | Eine erste Iteration des PIN-Briefes wurde umgesetzt (PDF). Der Einrichtungsassistent für die AusweisApp2 (Figma) inklusive Styleguide wurde übergeben, ebenso wie der Ergebnisbericht des Usability-Test der eID und AusweisApp2 (PDF). Rückmeldung aus Umfrage: Bis zu 70 % der interessierten Nutzer:innen haben ihre PIN nicht. | Weitere Revision des PIN-Briefs & Verbesserung der 5- und 6-stelligen PIN-Struktur. PIN-Rücksetzdient (PRS) prominent platzieren, auch innerhalb der BundID. Der PRS sollte nahtlos in einen eID-Client integriert sein, ohne Umwege über weitere Domains. |
Empfehlung aus der Analysephase* | Erfahrungen aus dem Live‑Betrieb** | Weitergehende Empfehlung |
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Ohne grundlegende Verbesserung der UX von Beantragung bis zu Anwendungsfällen ist es unwahrscheinlich, dass die Verbreitung signifikant steigen wird. Um die Markenbildung zu unterstützen, empfehlen wir, für Diensteanbieter feste Module (Buttons, Erklärungen etc.) zur Verfügung zu stellen, die sie direkt im richtigen Design implementieren können. | Widget erprobt: Als erste Komponente wurde ein Widget für Desktop und mobile Anwendungen entwickelt, welches in den Testservice ‘Grundsteuererklärung für Privateigentum’ eingebunden war. Es unterstützt die Nutzerführung im eID-Flow. | Es braucht ein stringentes Service-Design: Nutzende werden klar, einfach und einheitlich durch den Service geführt. Wir empfehlen für eine verbesserte Markenbildung und einheitliche Erklärung: Ausbau des Widgets als Hilfestellung der Nutzer:innen zur Erfüllung der technischen & PIN- Voraussetzungen sowie für den Gerätewechsel. Für Dienste sollte es einheitliche Komponenten zur Integration geben, wie standardisierte Ident-Button und Erklärtexte. |
Empfehlung aus der Analysephase* | Erfahrungen aus dem Live‑Betrieb** | Weitergehende Empfehlung |
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Um effektivere Kommunikation zu gewährleisten und die vielen wertvollen Inhalte zu vermitteln, sollte das Personalausweisportal nutzerzentriert teilweise neu gestaltet werden. Damit das mit voller Wirksamkeit möglich ist, muss der Government-Site- Builder modernisiert oder durch ein anderes CMS ersetzt werden. Um die erste Nutzung der eID zu erleichtern, sollte eine unverbindliche und neutrale Testanwendung angeboten werden. | Das Nutzerfeedback sowie Supportanfragen zeigten, wie erklärungsbedürftig die Begrifflichkeiten sind. Es wurde eine Iteration der Beschreibungen in der App vorgenommen und außerdem Feedback-Umfragen durchgeführt. In einem internen Hackathon wurde eine Beispielanwendung entwickelt. | Die eID sollte besser erfahrbar gemacht werden. Dazu braucht es zugängliche Informationen, bspw. über ein Info-Portal als Website. Begrifflichkeiten auf dieser Website müssen vereinheitlicht und vereinfacht werden. Mindestens ein realer Anwendungsfall sollte als Testanwendung bereitgestellt werden – insbesondere vor dem Hintergrund einer möglichen Kampagne. Funktionen müssen bekannt gemacht und durch informierte Mitarbeitende in Bürgerämtern unterstützt werden. |
Empfehlung aus der Analysephase* | Erfahrungen aus dem Live‑Betrieb** | Weitergehende Empfehlung |
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Um den Wiedererkennungswert der Online-Ausweisfunktion zu steigern, empfehlen wir, die Marke eID weiter zu gestalten und als starke, wiedererkennbare (Sub)Marke zu etablieren. So motiviert man Personen, die der Funktion zum zweiten oder dritten Mal begegnen, sich damit stärker zu beschäftigen. Wir empfehlen, die Marke stark mit dem Corporate Design des Bundes zu assoziieren. | Der Corporate Design Styleguide der Bundesregierung wurde angewendet, der Bundesadler zur staatlichen Wiedererkennung genutzt und der Produktname BundesIdent in einem ausführlichen Prozess in der Interaktion mit Bürger:innen generiert. | Wir empfehlen die Vereinheitlichung der beteiligten Komponenten anhand des Bundes-Styleguides, idealerweise mit dem Ziel einer einheitlichen Dachmarke. Zudem, siehe oben, muss es leicht integrierbare Komponenten für Diensteanbieter geben, wie das Widget, für einen einheitlichen Einstieg in den Identifizierungsprozess über Dienste hinweg. |
Empfehlung aus der Analysephase* | Erfahrungen aus dem Live‑Betrieb** | Weitergehende Empfehlung |
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Derzeit ist die Online-Ausweisfunktion auf Basis der physichen ID-Karte per se nicht inklusiv und für alle nutzbar. Wir empfehlen eine Erweiterung um additive Komponenten, z. B. europäisch regulierte qualifizierte elektronische Signaturen (QES), um eine durchgängige Nutzung am Mobiltelefon zu ermöglichen und so Inklusivität zu stärken. | Im ersten Anwendungsfall „Grundsteuererklärung“ gab es alternative Möglichkeiten zur Identifizierung. Dies ist aus Inklusionsgründen wichtig. Bis zum Schluss entschieden sich nur 20 % der Nutzer:innen für eine Identifizierung mit dem Ausweis. | Es müssen alternative Identifikationsoptionen zur eID ermöglicht werden. Gleichzeitig sollte von anderen erfolgreichen europäischen Identifizierungs- lösungen gelernt und EU-Standards wie die QES breitflächig angeboten werden. Dies beinhaltet auch, Diensten eine Vorgabe zu den erforderlichen Vertrauensniveaus zu machen. |
* Übergabe der Handlungsempfehlungen aus der Analysephase an das BMI im Februar 2022
** November 2022 – Juni 2023
WebAuthn_Chrome_Success.mp4
Um den Gerätewechsel zu vereinfachen, haben wir einen technischen Prototypen mit dem WebAuthn-Standard entwickelt. Der Vorteil: Es muss keine Desktopapp heruntergeladen werden. Um den Flow zu vereinfachen, könnte ein QR-Code-Scanner direkt in die App integriert und überflüssige Schritte entfernt werden. Desweiteren könnten ergänzende Erklärtexte besser durch den neuartigen Flow mit Passkeys leiten. Weitere technische Informationen unter: https://github.com/digitalservicebund/useid-architecture/tree/main/research/device-switch
In der ersten Projektphase haben wir einen Einrichtungsassistenten für die AusweisApp2 auf Desktop und Mobile entworfen: Design in Figma. Unsere Hypothese: Wie in einem Gespräch hilft der Einrichtungsassistent, die eID mit der AusweisApp2 einzurichten. Modernes Auftreten und freundliche, wenig technische Texte vermitteln Spaß beim Kennenlernen der neuen Technologie. Ein strukturierter Dialog unterstützt Bürger:innen beim Einrichten der 6-stelligen Wunsch-PIN und lässt sie den nicht-trivialen Prozess der Identifizierung mit eID in der AusweisApp2 kennenlernen.
Um diese Frage zu beantworten, haben wir eine breite Researchphase angelegt, in der wir durch qualitative Forschung ein ganzheitliches Verständnis für das Nutzendenerlebnis in Bezug auf die Online- Ausweisfunktion erarbeitet haben. Wichtig war uns in diesem Zusammenhang die Nutzungsreise von dem Moment an zu erforschen, in dem Bürger:innen einen neuen Personalausweis benötigen, bis zu dem Moment, in dem sie diesen wiederholt online nutzen.
Im Juni 2020 starteten wir das Projekt „Digitale Identitäten“ mit der Frage: „Wie können wir die Online-Ausweisfunktion in den Alltag der Bürgerinnen und Bürger integrieren?“. In 20 Tiefeninterviews und insgesamt 30 Std. Interviewmaterial haben wir mit Bürger:innen über ihre Erfahrungen im Zusammenhang mit dem Online‑Ausweis gesprochen. Dabei zeichnete sich deutlich ab, dass momentan der Online‑Ausweis ausschließlich für die Gruppe pragmatischen Profis nutzbar ist. Der Online-Ausweis ist aktuell im „frühen Markt“ gefangen; technikaffine Nutzer:innen, die motiviert sind, Neues auszuprobieren, nutzen sie gerne.
Erfahrung und Analyse einer Vielzahl von Technologieprodukten zeigt, dass Produkte und Dienste sich nicht linear aus diesem Segment weiterverbreiten, wenn sie nicht den Sprung zur Komplettlösung schaffen, da Nutzer:innen im Mainstream Markt andere Bedürfnisse haben. Dieses Phänomen sehen wir auch beim Online‑Ausweis. In seiner 10-jährigen Geschichte hat er den Sprung über die sogenannte Kluft nicht geschafft. Dies hat zum einen historische Gründe, wie zum Beispiel, dass lange ein Kartenlesegerät notwendig war, um die Online‑Ausweisfunktion zu nutzen. Doch auch nach der technologischen Weiterentwicklung und der Einführung von NFC‑Antennen in Smartphones stehen dem Sprung über die Kluft noch einige Hürden im Weg.
Mental bereiten sich Bürger:innen schon darauf vor, dass die Erledigung von Behördenangelegenheiten online, sie Nerven kosten wird. Die Erwartung ist also „das wird jetzt sehr anstrengend“. Resultierend werden Dinge aufgeschoben oder direkt der Gang zum Amt bevorzugt. Wenn man dort einen Termin bekommt.
Hat sich ein/e Bürger:in dazu entschieden, das Online-Angebot der Verwaltung zu nutzen, startet erstmal die große Suche, wo diese erledigt werden kann. Oftmals startet diese bei der Website des kommunalen Bürgeramts. Von dort müssen sich die Nutzenden durchklicken, teilweise durch mehrere Websites. Das ist frustrierend. Oftmals sind die Seiten so aufgebaut, dass die Textmasse Nutzende überfordert und das Bedürfnis schlussendlich nicht erfüllt wird. Die Verknüpfung von Information zur Dienstleistung und der tatsächlichen Interaktion befindet sich vorwiegend nicht an einem Ort.
Die Beantragung des neuen Ausweises erfolgt immer im Bürgeramt. Ein Ort an dem sich viele Bürger:innen in einem gestressten, unbequemen Lage fühlen. Die Erfahrungen von Bürgeramtsbesuchen beschrieben Befragte oft als ungemütlich, nervig, eher negativ. Genau das ist der Ort, an dem die Nutzenden erstmals mit der Online-Ausweisfunktion in Kontakt kommen. Wer einen neuen Ausweis beantragt, wird auch über die Online-Ausweisfunktion informiert. In unseren Gesprächen wurde uns häufig davon berichtet, dass diese Aufklärung oft mit einer negativen Konnotation stattgefunden hat. Die Technologie und der Mehrwert selbst haben die Mitarbeitenden oft selbst nicht verstanden und sind nicht darüber aufgeklärt, wie das überhaupt funktioniert. Begeisterung und Enthusiasmus können nicht überspringen, sondern ein komisches Gefühl bleibt und meist bleibt die Information zum Online-Ausweis nicht im Gedächtnis.
Den PIN-Brief erhalten Bürger:innen, bevor sie den neuen Ausweis beim Bürgeramt abholen. In diesem Augenblick können sie mit den Informationen in dem Brief nichts weiter anfangen. Schließlich haben Sie den Ausweis noch nicht und können die Online-Ausweisfunktion nicht nutzen. Der Zusammenhang zwischen Transport-PIN und Online-Ausweis wird nicht verstanden. Der Brief wird also abgeheftet und gerät in Vergessenheit.
5. Es vergeht zu viel Zeit (Monate und Jahre) zwischen Erhalt des Personalausweises mit OAF und der Nutzung: die eID gerät in Vergessenheit
Für die Online-Ausweisfunktion gibt es derzeit nur wenige Anwendungsfälle. Bis Bürger:innen den Online-Ausweis tatsächlich nutzen, vergeht oft viel Zeit. In dieser haben Sie vergessen, was die Online-Ausweisfunktion ist. Oder dass Sie einen Brief bekommen haben, der in Zusammenhang mit dem Online-Ausweis stand. Die wenigsten haben den Online-Ausweis bereits eingerichtet. Sie wählen also, wenn möglich, ein anderes Identifikationsmittel.
Bei den existierenden Anwendungsfällen zeigt sich eine große Bandbreite an Darstellungen, was die Online-Ausweisfunktions ist und wie sie genutzt wird. Der Wiedererkennungswert der Anwendungsmöglichkeiten für Bürger:innen ist nicht gegeben. Auch sind die Informationen teilweise fehlerhaft und veraltet.
Bevor die Identifizierung mit dem Online-Ausweis starten kann, muss dieser eingerichtet werden. Das heißt, die Transport-PIN muss in eine persönliche PIN umgewandelt werden. Dafür benötigen die Bürger:innen den PIN-Brief, den sie nach Beantragung des neuen Ausweises zugeschickt bekommen haben. Dies bildet die erste Hürde der Einrichtung, da der Brief oft irgendwo abgeheftet oder nicht mehr vorhanden ist. Ein Großteil der Nutzenden nutzt digitale Verwaltungsleistungen auf dem Desktop, diese müssen nun verstehen, dass sie eine Desktop-App herunterladen müssen. Für viele ist der Begriff App unausweichlich mit dem Smartphone verbunden. Haben Sie es dennoch geschafft, folgt die Kopplung der Desktop App mit dem Smartphone, denn nur wenige besitzen ein Kartenlesegerät, dass direkt mit dem Computer verbunden wird. Für die Kopplung müssen beide Geräte im selben WLAN sein, das Gerät ausgewählt werden und eine Kopplungsnummer eingeben werden. Das bildet bereits die 3. Hürde im Einrichtungsprozess. Ist auch diese überwunden, muss der Personalausweis mit der NFC-Funktion des Smartphones ausgelesen werden. Diese Technologie ist weitgehend unbekannt und viele brauchen mehrere Versuche, um den Ausweis richtig an das Gerät zu halten. Erst nach diesem Schritt kann die persönliche PIN gewählt und der Ausweis genutzt werden. Dieser Prozess ist bereits für technikaffine Personen nicht trivial und benötigt meist mehrere Versuche.
Nutzende der AA2 scheitern oftmals am Kopplungsprozess und das Auslesen des Ausweises mit der NFC-Technologie. Das Zusammenspiel zwei verschiedener Geräte ist ungewohnt und überfordernd. Hilfetexte und das benutzte Vokabular oft nicht ausreichend. Auch die Fehlermeldungen helfen den Nutzenden oft nicht weiter.
NFC, Kopplung, Desktop-App oder Fernzugriff sind Worte, die für Nutzende unbekannt sind. Sie verstehen nicht, was damit gemeint ist und welche Voraussetzungen ihre Geräte erfüllen müssen. Das führt dazu, dass häufig eine andere Identifizierungsmethode gewählt wird.
10. Nutzer:innen bevorzugen ein gewohntes und einfaches Identifikationsverfahren, dann erst ein sicheres
Die Privatwirtschaft legt einen starken Fokus aus Nutzendenfreundlichkeit. Bürger:innen sind daran gewöhnt, dass Dinge einfach sind oder sie gut durch komplexere Prozesse geführt werden. Der Gedanke an Sicherheit kommt meist erst nachgelagert. Wenn ein Online-Dienst aus Sicherheitsgründen komplex und schwer verständlich ist, wird er weniger genutzt, als ein Dienst, der ggf. nicht so sicher ist, aber sich das Bedürfnis der Nutzenden schnell erfüllen lässt. Sicherheit ist ein nicht anfassbares Gut und kann daher von Nutzenden nur sekundär wahrgenommen werden.
Wenn die Hürden abgebaut werden, ist die Erfolgschance der Online‑Ausweisfunktion für das digitale Identifizieren sehr hoch, denn gerade durch die Corona-Pandemie ist die Offenheit mehr online zu erledigen, enorm gestiegen.
Die Zusammenfassung der Ergebnisse aus der Recherchephase als PDF.
- Qualitative Forschung zeigt, dass die Online-Ausweisfunktion aktuell nur für technikaffine Nutzer:innen nutzbar ist. Ohne grundlegende Verbesserung des Nutzungserlebnisses (UX) von Beantragung bis zu Anwendungsfällen ist es unwahrscheinlich, dass die Verbreitung signifikant steigen wird.
- Lösungskonzepte rund um verbesserte Erstnutzung und effektive Kommunikation im konkreten Anwendungsfall stoßen auf positive Resonanz und versprechen breitere Annahme.
- PIN Brief und AusweisApp2 können akut verbessert werden, um schnell Erfolge zu erzielen. Staatliche, digitale Identität sollte aber darüber hinaus mit ganzheitlich guter UX zukunftsfähig restrukturiert werden
- Nutzer:innen erhoffen sich ein Universaltool, womit sie alltägliche Dinge erledigen können; praktisch, nahtlos, flexibel, schnell, einfach, unabhängig, und trotzdem sicher.
- Corona hat die Offenheit und Gewohnheit, mehr online zu erledigen, beflügelt. Gleichzeitig hat sich gezeigt: Die aktuelle Anzahl und der Zustand der Online-Angebote der Verwaltung überfordert.
- Künftige Vielnutzer:innen können nur durch vereinfachten Einstieg, vermehrte Anwendungsfälle und gezielte Kommunikation (von der Bundesverwaltung aber auch im eigenen Umfeld) als eID-Nutzer:innen erreicht werden.
Die detaillierte Zusammenfassung der quantitativen Studie zur eID als PDF.
Die Online-Umfrage setzt sich aus 37 Fragen bezüglich der Themen digitale Online-Erfahrungen, Personalausweis-Nutzung, eID-Nutzungsverhalten, -Interaktion und -Konzept, sowie Mediennutzung und Demografie zusammen. Die Online-Umfrage beansprucht durchschnittlich ca. 11-12 Minuten zur Beantwortung und wurde zwischen dem 25. und 31. August 2021 1.315 Mal beantwortet.
- Deutschsprachig
- 16-74 Jahre
- Besitzt einen Personalausweis
- Mussten den Personalausweis in den letzten 12 Monaten vorzeigen
- Haben einen Schulabschluss gemacht bzw. sind gerade dabei
- Besitzen mind. ein digitales Endgerät
- Haben in den letzte 6 Monaten mind. eine Online-Anwendung genutzt
- 7 von 10 Personen der Online-Bevölkerung kennen die eID bereits. Ungefähr 1 von 6 ist der Anteil der aktiven Nutzer:innen innerhalb der potentiellen Nutzer:innen. 6 von 10 Personen geben eine wahrscheinliche (Wieder-)Nutzung an.
- Das Beantragen des Ausweises im zuständigen Amt ist die Hauptquelle, um auf die eID aufmerksam zu werden.
- Aktive Nutzer:innen sind gekennzeichnet durch jüngere Männer, die in größeren Städten mit Familie leben, in Vollzeit arbeiten und ein höheres Bildungsniveau aufweisen. Potentielle Nutzer:innen entsprechen bzgl. der Soziodemografie der Online-Bevölkerung.
- Aktive Nutzer:innen haben die eID ø2,7 mal in den letzten 12 Monaten genutzt, vor allem für Online-Bürgerdienste, die Steuer und Bankgeschäfte. (N02, N03) Im Vergleich lag die Personalausweis-Nutzung in den letzten 12 Monaten bei: ø2,9 mal (Aktive Nutzer:innen), ø2,4 mal (Potentielle Nutzer:innen), ø1,8 mal (Ablehner:innen)
- Zeitsparend, ortsunabhängig und Sicherheit bzgl. der Daten sind die Top-3 wahrgenommenen Vorteile.
- Ein konkreter Anwendungsfall, eine Schritt-für Schritt Erklärung (z.B. per Video oder persönlich) und ein Terminal im Bürgerbüro sind entscheidende initiale Motivatoren.
- Der Identitätsnachweis, die Nutzung von Online-Bürgerdiensten und die digitale Unterschrift sind die Top-3 Nutzungsanlässe.
- Der fehlende Anwendungsfall und das als notwendig wahrgenommene Kartenlesegerät sind Hauptgründe der Nicht-Nutzung.
- Paketabholung/-annahme und Reisen sind regelmäßige Ausweissituationen. Corona/ Impfzentrum temporäre Sondersituation.
- Online Shopping, Online Banking, Dienstleistungen online buchen, VoD/ Streaming werden mehrheitlich und regelmäßig genutzt.
- Online-Terminbuchung im Bürgerbüro und Abgabe der Steuererklärung sind meist genutzte digitale Verwaltungsdienstleistungen.
- Internet, Online-Recherche und Online-Vergleichsportale als zentrale Anlaufpunkte für Unterstützung bzgl. digitaler Fragen.
- Anliegen von überall erledigen und Zeitersparnis sind die zentralen Vorteile digitaler Verwaltungsdienstleistungen.
- Online Shopping und Online Banking werden mehrheitlich als „sicher, seriös, gleichzeitig einfach zu bedienen“ wahrgenommen.
- E-Mail und Briefe (postalisch) sind die bevorzugtesten Informationsquellen für öffentliche/ private Anbieter (z. B. Krankenkasse, lokale Verwaltung, Bank, Streaming-Dienst).
- Fernsehen, Radio und Zeitungen werden von der Mehrheit mehrmals wöchentlich und häufiger genutzt. Soziale Netzwerke, Nachrichten auf dem Smartphone und Online-Nachrichten-Portale werden in ähnlicher hoher Regelmäßigkeit genutzt.
- Politik, Reisen & Regionales und Hobbys sind die Top-3 Themen, denen via Social-Media und Podcasts am meisten gefolgt wird.
- Die Bekanntheitssteigerung und Vorteilsvermittlung über traditionelle und soziale Medienkanäle sollte ebenso genutzt werden, wie die Fortführung der Informationsvergabe im Bürgeramt vor Ort durch geschultes Fachpersonal.
- Über einen Fokus auf Frauen, Personen ab mittleren Alters und in kleineren Städten lebend, sollte für eine Erweiterung der Nutzer:innenbasis nachgedacht werden. Jüngere Männer im großstädtischen Umfeld werden weiterhin eher über neue Anwendungsfällen als über Kommunikationsmittel konvertieren.
- Die Kernbotschaften sollten die Zeit/ und- Ortsunabhängigkeit, sowie die Datensicherheit in den Vordergrund rücken. Eine Vergleichsdarstellung zwischen dem bisherigen Ablauf (Weg ins Bürgerbüro) und der alternativen Nutzung der eID sollte diese Kernbotschaften belegen.
- Das Info-Material, welches vollständig online verfügbar sein muss, sollte die Vorteile anhand von Anwendungen im Rahmen von Verwaltungsdienstleistungen sowie in Alltagssituationen, z.B. beim Online-Banking, Streaming etc., verdeutlichen. Die Info-Vermittlung per E-mail bzw. als Brief (postalisch) ist empfehlenswert.
- Der Nutzungsablauf der eID muss eindeutig und konsistent sein in der Kommunikation und z.B. das Kartenlesegerät als nur einen möglichen, aber nicht zwingend notwendigen Weg zur Nutzung verdeutlicht werden.
Der Ergebnisbericht Usability‑Test eID & AusweisApp2 als PDF. 2021 haben wir sechs qualitative Interviews á 60 Minuten geführt. Die Teilnehmer:innen sollten online ihre Punkte in Flensburg nachgucken. Dazu war die Ersteinrichtung der eID mithilfe des PIN-Briefes und die Nutzung der AusweisApp2 notwendig. Unsere Haupterkenntnisse:
- Der Mehrwert der eID ist nicht eindeutig für Bürger:innen. Somit ist das Interesse zum initialen Einrichten nicht hoch.
- Bürger:innen wissen nicht, was „NFC“ ist und ob ihr Smartphone NFC-fähig ist.
- Der PIN-Brief kommuniziert die Notwendigkeit der AusweisApp2 nicht. Die Notwendigkeit wird erst auf der Seite des Diensteanbieters klar. Unklar bleibt, dass damit auch eine Desktop-App gemeint ist.
- Da die Handhabung der Kombination von Smartphone als Lesegerät und der Desktop-App nicht verstanden wird, bleiben die meisten Nutzer:innen auf dem Smartphone.
- Der Scan-Vorgang zur Authentifizierung kann schnell erlernt werden und begeistert Nutzer:innen. Allerdings wird nicht klar, warum der Ausweis beim Diensteanbieter wiederholt gescannt werden muss.
- Insgesamt gibt es innerhalb der AusweisApp2 keine großen Usability-Probleme. Es sind die Erwartungen der Nutzer:innen und der unhandliche Kopplungsprozess, sowie der Wechsel zwischen Diensteanbieter und AusweisApp2, die die Nutzung verkompliziert.
Der Ergebnisbericht: Nutzung der eID durch Diensteanbieter als PDF.
Von Oktober 2021 bis Januar 2022 haben wir 25 qualitative Interviews und durch zusätzliche Internetrecherche unsere Leitfrage untersucht: Warum wird die eID im Privatsektor bisher so wenig als Identifizierungslösung angeboten und wieso kann sich die eID aktuell nur schwer gegen die anderen etablierten Identifizierungsoptionen durchsetzen?
Nicht alle Menschen haben Zugang zur eID. Einen gültigen Personalausweis hatten 2020 laut Bundesdruckerei zwar 60 Mio. Bürger:innen, eine aktivierte Online-Ausweisfunktion jedoch nur 30 Mio. Bürger:innen. Die Online-Ausweisfunktion wird mittlerweile seit 2017 für alle neuen Ausweise standardmäßig freigeschaltet. Viele wissen aber nichts von der Online-Ausweisfunktion, haben ihre persönliche Ausweis-PIN vergessen oder nie gesetzt, finden den PIN-Brief nicht mehr oder und wissen nicht, wie sie einen neuen beantragen können. Laut dem eGovernment MONITOR von Initiative D21 hatten 2022 nur 14 Prozent der Befragten mit gültigem Personalausweis die Online-Ausweisfunktion genutzt. Seit Februar 2022 ist es jedoch möglich, über www.pin-ruecksetzbrief-bestellen.de einen neuen PIN-Brief zu bestellen. Über diesen neuen Service der Bundesdruckerei wurden innerhalb der ersten sechs Monate bereits 198.000 neue PIN-Briefe und rund 120.000 Online-Ausweise aktiviert.
2. Der Markt für die eID beschränkt sich auf regulierte Branchen und eine einmalige Erstidentifizierung
Nicht der ganze Privatsektor hat Interesse am Einsatz der eID. Das höchste Sicherheitsniveau zur Identifizierung, welches die eID garantiert, ist insbesondere in regulierten Branchen gefragt. Dies sieht man auch daran, dass sämtliche Identifizierungsdiensteanbieter folgende Branchen ansprechen: Finanzsektor, Telekommunikation, Gaming, Versicherung, eHealth und ggfs. noch Mobility & Reisen, eSports sowie teilweise eCommerce.
Der hauptsächliche Anwendungsfall bezieht sich dabei auf eine einmalige Erstidentifizierung auf hohem Niveau. Eine regelmäßige Authentifizierung auf hohem Niveau scheint nicht gefragt zu sein. Regulierte Branchen haben dabei häufig Sonderanforderungen, die mit dem eID-Standard nicht abgedeckt sind. Der Finanzsektor erfordert aus dem Identifizierungsprozess zusätzlich eine digitale Fotokopie des Ausweises und der Gesundheitssektor wünscht sich eine Kombination mit der Krankenversichertennummer.
3. Priorität: Eine Geringe Abbruchquote, eine große Nutzer:innengruppe und ein gutes Nutzungserlebnis
Für private Diensteanbieter sind bei der Auswahl der anzubietenden Identifizierungslösung folgende Kriterien wichtig: Wie groß ist die potentiell erreichbare Nutzer:innengruppe je Identifizierungslösung? Welche Identifizierungslösung kann ohne Voraussetzung und mit zahlreichen Identitätsdokumenten genutzt werden? Video-Ident kann zum Beispiel mehr als 150 internationale Reisepässe/ Ausweise identifizieren. Wie hoch ist die Abbruchquote in den Identifizierungslösungen (Conversion Rate)? Mit welcher einzigen oder bis zu zwei Identifizierungslösungen kann die gesamte Nutzer:innengruppe erreicht werden? Denn das Angebot mehrerer Optionen verwirrt Nutzer:innen und erfordert den Aufbau von Supportstrukturen.
Zitat von einem Identifizierungsdienstanbieter „Es kommen 100 Menschen zu unseren Kunden. Unsere Aufgabe muss es sein, aus diesen 100 Menschen 100 Kunden zu machen. Und das nicht nur für deutsche Ausweise. Deshalb ist das Potpourri an Optionen so wichtig.“
Zitat von einem Diensteanbieter „In Deutschland haben wir in den letzten Wochen die Conversion Rate von 40% auf 60% erhöht, indem wir erklärt haben, was Nutzer:innen erwartet: Du musst etwas auf Video-Ident warten, bis jemand da ist. Wir wollen den Nutzer:innen nicht 7 verschiedene Verfahren bieten, das wäre fahrlässig. Wir sortieren die Methoden nach Häufigkeit der Nutzung. Idealerweise nur 1 Option.“
Die bisher kleine Nutzer:innenbasis der eID, die Erstaktivierung der eID-PIN sowie die Beschränkung auf den Personalausweis sind dabei wesentliche Entscheidungsfaktoren gegen die eID. Insbesondere der Erstaktivierungsprozess erscheint im Privatsektor zu aufwändig und riskant, um diesen in ihr Produkt einzubinden. Deswegen sind private Diensteanbieter auch weiterhin bereit, bis zu 12€ pro Video-Ident-Vorgang zu zahlen. Lieber mehr zahlen, als Kund:innen komplett zu verlieren.
Identifizierungsdiensteanbieter bieten meist vier Optionen an: Video-Ident, Auto/ Foto-Ident, vor-Ort-Ident und eID. Mit dem bisherigen Angebot, insbesondere von Video-Ident und vor-Ort-Ident, konnte ein gut funktionierendes Geschäftsmodell aufgebaut werden. Der aktive Vertrieb der eID steht dabei im Hintergrund, sodass wenige Weiterentwicklungs- und Marketingressourcen investiert werden.
Zitat von einem Digitalisierungsbeauftragten „Die Verbreitung hat noch nicht das Ausmaß erreicht, das man bereitstellen müsste, um es als zusätzliches Verfahren anzubieten. Soweit ich weiß braucht man auch ein separates Lesegerät.“
Viele der Identifizierungsdiensteanbieter bieten inzwischen die eID über ihre Plattformen an. Wir sind in unserer Recherche aber oft auf veraltete oder Fehlinformationen gestoßen. PostIdent und IDnow konnten uns z.B. in einem ersten Vertriebsgespräch nichts zur Erstaktivierung der eID sagen, die tatsächlich mit beiden möglich ist. Das führt dazu, dass auch Diensteanbieter oft veraltete Informationen weiterverbreiten, wie z.B. die Notwendigkeit eines Kartenlesegerätes zur Nutzung der eID.
Zitat von Christian Kahlo bei der öffentlichen Anhörung zu Digitale Identitäten beim Digitalausschuss am 04. Juli 2022 „Durch die bisher fehlende Umsetzung des Projekts eID jenseits des technischen Rahmens sind im Markt diverse Anbieter entstanden, die digitale Identifizierungslösungen anbieten, weil sich die eID bisher nicht ausreichend durchgesetzt hat. Diese Anbieter haben ein großes Interesse daran, dass sich das technische Potential der eID nicht realisiert, weil es ihr Geschäftsmodell, nämlich den Betrieb einer Brückentechnologie, gefährdet.“
Das Henne-Ei-Problem ist ein Kreislauf, der an einem Punkt durchbrochen werden muss. Eine eID-Erstaktivierung im Kontext der Verwaltung könnte die Nutzer:innenbasis vergrößern und damit für den Privatsektor interessanter machen. In der Verwaltung haben Bürger:innen eine deutlich höhere Toleranz für komplizierte Prozesse, erwarten diese geradezu, während die Ansprüche des Nutzungserlebnisses der Privatunternehmen sehr hoch sind. Dies erschwert eine Erstaktivierung im Privatsektor.
Zudem wurde bisher keine Kampagne für die eID durch den Staat forciert. In den Ämtern vor Ort werden veraltete und/ oder Fehlinformationen verbreitet. Auch hier könnte man mit einer verwaltungsinternen Kampagne und Schulung der Kommunen die eID-Verbreitung fördern, indem z.B. die PIN direkt vor Ort im Amt gesetzt und die eID sofort einsetzbar wird, und somit die eID-Nutzer:innenbasis erhöht.
2021 haben wir mehrere qualitative Tiefeninterviews durchgeführt und in zwei Studien zusammengefasst. Unser Forschungsfokus lag auf folgenden drei Fragen:
- Welche Funktionalitäten der Verwaltungs-Touchpoint müssen konsolidiert werden, um für potentiell Nutzende den Zugang zu digitalen Verwaltungsleistungen zu vereinfachen?
- Welche Anwendungsfälle sind die größten Treiber für potentiell Nutzende für die Verwendung der „Digitalen Verwaltung und Identität”?
- Welcher Name ist für eine gebündelte App für Verwaltungsleistungen für potentiell Nutzende sinnvoll und verständlich?
Der Ergebnisbericht: Interviewkonsolidierung Studie 1 als PDF. Unsere Haupterkenntnisse:
- Verwaltungsportal wird als wichtigste Funktion benannt
- Ein Ausbau des NutzerkontoBund in Richtung Auffindbarkeit gewünscht
- Anwendungsfälle in der Verwaltung oder verwaltungsnahen Bereichen sind interessanter als in der Privatwirtschaft
- Statusmonitor zum Einblick zum Status von Anträgen ist beliebt und sollte weiter betrachtet werden
- Auffindbarkeit, Status, Kommunikation und Nutzerkonto sind wichtiger für potentielle Nutzende als Nachweise abzuspeichern
- Annahme der Teilnehmenden ist, dass digitale Nachweise auch Ersatz physischer/analoger Nachweise sind
- Erstes Indiz, dass es nicht dringend notwendig den kompletten Prozess einer Verwaltungsleistung in 1 App bzw. Touchpoint durchzuführen, dennoch sind möglichst wenige Brüche und flüssige Gesamterfahrung wünschenswert
- Es ist relevant, WAS konkret mit den umrahmenden Funktionalitäten (Postfach, Login, Portal etc.) möglich ist
- Überwiegend reicht 1 wichtiger Anwendungsfall, um sich ein Nutzerkonto anzulegen
Der Ergebnisbericht: Interviewkonsolidierung Studie 2 als PDF. Unsere Haupterkenntnisse:
- Prototypen als relevant bewertet: „Digitale Ummeldung“ auf dem Smartphone, sowie „Beantragen des Führungszeugnis“ mit Gerätewechsel – relevant ist dafür die Situation in der sich die Teilnehmenden befinden
- Leichte Präferenz zu Prototypen „Ummeldung“ – er wird als weniger komplex wahrgenommen, da kein Gerätewechsel stattfindet
- NutzerkontoBund als einheitlicher Login verstanden, der sowohl in der App als auch am Desktop genutzt werden kann
- Teilnehmende nutzen für Verwaltungsleistungen großteils den Computer, ein Wechsel aufs Smartphone ist für alle vorstellbar, aber Dokumente sollen weiterhin auf dem Computer speicherbar sein
- Prozess einer digitalen Verwaltungsleistung muss nicht komplett auf einem Touchpoint ablaufen, der Wechsel zwischen Browser und App oder dem Gerät ist verstädnlich, solange die einzelnen Touchpoints ineinander greifen und Nutzende eindeutig geleitet werden
12. Fünfzehn allgemeine Handlungsempfehlungen für eine erhöhte Verbreitung der Online-Ausweisfunktion basierend auf qualitativer Forschung aus 2021
Die Handlungsempfehlungen basieren auf qualitativer Forschung Expert:innen- und Nutzer:inneninterviews, Usability Tests, Resonanztests, Expertenanalysen des Teams sowie der im September 2021 durchgeführten quantitativen Studie.
Um den Wiedererkennungswert der Online-Ausweisfunktion zu steigern, empfehlen wir, die Marke eID weiter zu gestalten und als starke, wiedererkennbare Marke anzustreben. So motiviert man Personen, die der Funktion zum zweiten oder dritten Mal begegnen, sich damit stärker zu beschäftigen. Wir empfehlen auch, die Marke stark mit dem Corporate Design des Bundes zu assoziieren, die Vorteile der Marke Staat zu nutzen.
Bestehende Anwendungsfälle werden nicht mit einem einheitlichen System assoziiert, welches nur einmal eingerichtet und verstanden werden muss. Dadurch erscheint die Komplexität unverhältnismäßig zum Aufwand der Einrichtung.
Einheitliche Vorgaben, was die Einbindung und Beschreibung der Online-Ausweisfunktion betrifft. Mehr Klarheit in der Präsentation und Verfügbarkeit der Empfehlungen, wie z.B. langen Fließtext vermeiden, Personalasuweisportal als zentrales Portal nutzen und Anbieter stärker koordinieren. Gestaltung stets als Marke des Bundes, nicht getrennt davon.
Zielgruppe: Alle
Quelle: Interviews, Resonanz- testing, Studie
Adressat:innen der Empfehlung: Kampagne
Um die Verbreitung der eID kontinuierlich und nachhaltig zu steigern, empfehlen wir ein Koordinationsteam, welches die verschiedenen Angebote koordiniert und die übergreifende Strategie für das Ökosystem entwickelt.
Es gibt viele engagierte Akteure, die zur Weiterentwicklung der eID beitragen. Allerdings sind diese überwiegend eng an ihre Zuständigkeiten gebunden und fördern so nur das sehr konkrete Element des Gesamtsystems, für welches sie verantwortlich sind. Die Verbreitung wird aber durch das Zusammenspiel all dieser Elemente gesteigert.
Analyse und kontinuierliche Einschätzung der angebotenen Integrationsmodelle, Koordinierung übergreifender Kommunikation, stärkere Integration der Akteure, wie z.B. Identifizierungsdiensteanbieter, in die Gesamtplanung, Betrachtung der eID als Gesamtangebot.
Zielgruppe: Alle
Quelle: Experten-Interviews, Analyse
Adressat:innen der Empfehlung: BMI
Um das Wertversprechen der eID realistisch an die Nutzer:innen zu kommunizieren und keine falschen Erwartungen zu erzeugen, sollten die realen Vorteile, wie z.B. zeitsparend und ortsunabhängig, der eID kommuniziert werden.
Die Identifikation per eID ist komplex und benötigt etwas Zeit, was einem gründlichen Identifikationsverfahren inhärent ist. Die eID ist aktuell noch kein intuitiver und einfacher Prozess. Erwartungen in der Gesellschaft sind aber geprägt durch weniger sicherheitsrelevante Abläufe wie z.B. PayPal, E-Mail, Anmeldung mit Google. Diese Vergleiche werden durch die Nutzung des Wortes „einfach“ in diesem Kontext hervorgerufen.
„Einfach“ als Wertversprechen vermeiden; „zeitsparend“, „ortsunabhängig“, „flexibel“ und synonyme erwägen; als Vergleichswert den Gang zum Amt positionieren.
Zielgruppe: Alle
Quelle: Interviews, Quantitative Studie
Adressat:innen der Empfehlung: Kampagne
Um die Markenbildung zu unterstützen, empfehlen wir für Diensteanbieter, einzelne Module wie zum Beispiel Buttons und Erklärungen zur Verfügung zu stellen, die sie direkt im richtigen Design implementieren können.
Jeder Anwendungsfall hat eine abweichende Kommunikation der eID. Begrifflichkeiten werden unterschiedlich, teilweise falsch verwendet. Die Gestaltung der Integration ist komplett unterschiedlich.
Eine von Integrationsoptionen unabhängige bzw. übergreifende Anlaufstelle mit offen verfügbaren Bausteinen, die schnell und einfach übernommen werden können. Beispiel: https://stripe.com/docs/payments/elements
Zielgruppe: Unternehmen, IT-Dienstleister
Quelle: Experteninterviews
Adressat:innen der Empfehlung: Kampagne
Um die Anlässe der Nutzung der eID zu steigern, sollte die Schaffung und Weiterentwicklung der Nutzungsanlässe priorisiert werden, die regelmäßig im Alltag der Bürger:innen vorkommen.
Die Bürger:innen müssen Anlässe zur Nutzung der eID erhalten in Situationen, in denen sie sich sowieso regelmäßig befinden.
Integration der eID in häufig genutzte Verwaltungsleistungen in OZG-Umsetzung priorisieren.
Zielgruppe: Nutzer:innen
Quelle: Interviews, Quantitative Studie
Adressat:innen der Empfehlung: BMI, Länder, Kommunen
Um den schnellen Einstieg in das eID Ökosystem zu ermöglichen, sollten die im Netz verfügbaren Ressourcen und Anlaufstellen möglichst reduziert und maximal klar positioniert werden. So können Interessierte auf den ersten Blick verstehen, ob sie an der richtigen Stelle sind, und wenn nicht — wohin sie weiter müssen.
Aktuell werden das Personalausweisportal sowie der Webauftritt der AusweisApp2 häufig in der Kommunikation zur eID referenziert. Durch die Vielzahl an Anlaufstellen im Netz sind besonders neue und potenzielle Nutzer:innen verwirrt und verunsichert; sie haben Schwierigkeiten, die richtigen Informationen zu finden.
Die Positionierung der verschiedenen Portale stärker differenzieren, vor allem in Abgrenzung zueinander; eine Anlaufstelle als zentral für die Online-Ausweisfunktion als solche definieren und zumindest in der offiziellen Kommunikation berücksichtigen; neue Anlaufstellen vermeiden.
Zielgruppe: Alle
Quelle: Interviews, Usability Tests
Adressat:innen der Empfehlung: Kampagne
Um effektivere Kommunikation zu gewährleisten, sollte Informationsmaterial möglichst knapp und visuell aufbereitet sein.
Inhalte sind teilweise schwer auffindbar, weil sie in langen Fließtexten integriert sind. Beispiele: Im Personalausweisportal werden mögliche Integrationsmöglichkeiten für neue Diensteanbieter unbetitelt in einem Introtext untergebracht, obwohl sie eine der wichtigsten ersten Informationen sind. Ein Großteil der Startseite des AusweisApp-Portals besteht aus einer Fließtextbeschreibung, der Interaktive Teil ist erst am Ende der Seite zu finden.
Angemessener Satz für alle Inhalte; strukturierte Darstellung von Textmengen in kleineren, inhaltlich passenden Gruppen.
Zielgruppe: Alle
Quelle: Usability Test, Expertenanalyse
Adressat:innen der Empfehlung: BMI, BSI, Governikus
8. Personalausweisportal (PAP) / Government-Site-Builder (GSB)
Um effektivere Kommunikation zu gewährleisten und die vielen wertvollen Inhalte zu vermitteln, sollte das Personalausweisportal nutzerzentriert teilweise neu gestaltet werden. Damit das mit voller Wirksamkeit möglich ist, muss der GSB modernisiert oder gegebenenfalls durch ein anderes CMS ersetzt werden.
Die Navigation sowie allgemeine Informationsarchitektur des Personalausweisportals fördert derzeit nur bedingt die Auffindbarkeit von Informationen. Bspw. verfügt der „Behördenportal“-Teil nicht über eine dedizierte Navigation, wodurch Nutzer:innen wissen müssen, wonach sie suchen, um auf bestimmte Inhalte zu stoßen. An vielen anderen Stellen werden Grundprinzipien einer effektiven Informationsarchitektur nicht berücksichtigt. Die Machbarkeitsanalyse hat ergeben, dass diese Tatsachen stark durch die Funktionsweise und den Umfang des GSB beeinflusst und die Seite nicht frei umgestaltet werden kann.
Prüfung, ob der GSB ein geeignetes System für die Bereitstellung von bürgerfreundlicher und verständlicher Kommunikation ist. Nutzertests und anschließende Gestaltung entlang von Nutzungszielen und -pfaden.
Zielgruppe: Alle
Quelle: Usability Tests, Machbarkeitsanalyse, Expertenanalyse
Adressat:innen der Empfehlung: BMI
Um einen schnellen Einstieg in das eID Ökosystem zu ermöglichen, empfehlen wir, die Ausweis-App des Bundes AusweisApp2 auch so zu positionieren. Um die Offenheit des Ökosystems zu behalten, kann entsprechende Kommunikation ergänzt werden, bzw. weitere Maßnahmen in diese Richtung ergriffen werden.
Der Vertrauensbonus, den man durch einen „Bundes“-Herausgeber (BSI, BMI, Bundesdruckerei) der Apps und die Gestaltung konform mit dem Corporate Design Styleguide der Bundesregierung via Schriften und Bundesadler bekommt und die Resilienz und Motivation der Nutzer:innen, die man dadurch steigern kann, tritt bei der AusweisApp2 nicht ein. Es wird damit argumentiert, dass die AusweisApp2 nicht die einzige App ist und andere Apps nicht benachteiligt werden sollen. Diese Apps werden aber bereits benachteiligt, da sie weder so prominent auf dem Personalausweisportal, noch in der Kommunikation in den Anwendungsfällen berücksichtigt werden. So hat man alle Nachteile und keine der Vorteile.
Anwendung des Corporate Design Styleguides der Bundesregierung, Herausgeber in den App Stores BSI, BMI oder Bundesdruckerei welche intuitiv mit Ausweiswesen assoziiert wird
Zielgruppe: Nutzer:innen
Quelle: Usability Tests, Interviews
Adressat:innen der Empfehlung: BMI, BSI
Um einen effektiven Kommunikationskanal mit den Bürgerämtern und -büros zu schaffen, empfehlen wir als Teil der Kampagne auch das Behördenportal bei Behördenangestellten zu bewerben.
Das Behördenportal innerhalb des Personalausweisportals ist vielen Sachbearbeiter:innen in Bürgerämtern nicht bekannt. Gleichzeitig wissen wir aus der quantitativen Studie, dass Bürger:innen aktuell vor allem beim Beantragen des Personalausweises überhaupt von der eID erfahren. Die Mitarbeiter:innen in Behörden und Bürgerämtern/ -büros als erster Kontaktpunkt der Nutzer:innen mit der eID müssen entsprechend gut informiert werden.
Behördenangestellte als Zielgruppe der Kampagne
Zielgruppe: Mitarbeiter:innen in Behörden und Bürgerämter/ -büros
Quelle: Interviews, Quantitative Studie
Adressat:innen der Empfehlung: Kampagne
Um Mitarbeiter:innen Behörden und Bürgerämter/ -büros den einfachen Zugang zur Online-Ausweisfunktion zu ermöglichen, können Testausweise eine wertvolle Bereicherung des Infomaterials sein, damit die eID-Nutzung für die Mitarbeiter:innen erfahrbar wird.
Nur wenn eine Erfahrung selbst gemacht wird, kann sie wirklich verstanden und verinnerlicht werden. Die Mitarbeiter:innen der Bürgerbüros, mit denen wir Gespräche geführt haben, hatten die eID selbst bisher nicht benutzt. Entsprechend unmöglich ist es für sie, informiert und emphatisch Fragen zum Wert, zum Aktivieren oder zur Benutzung der eID den Bürger:innen zu beantworten.
Behördenangestellten das Ausprobieren der eID ermöglichen
Zielgruppe: Mitarbeiter:innen in Behörden und Bürgerämter/ -büros
Quelle: Resonanztests
Adressat:innen der Empfehlung: BMI
Um Mitarbeiter:innen in Behörden und Bürgerämtern/ -büros als ersten wichtigen Kontaktpunkt der Nutzer: innen mit der eID wertvoll zu machen, braucht es viele verschiedene Wege zum Wissenstransfer, wie Spickzettel, Behördenportal, Schulungen, Ausbildungsmodul, E-Mail / Updates.
Viele Mitarbeiter:innen in Behörden und Bürgerämtern/-büros haben ein Bedürfnis nach mehr Information. Die Art und Weise, wie sie diese am besten erhalten und in ihren Arbeitsalltag gut integrieren können, muss weiter iterativ erforscht werden.
Wissenstransfer in die Bürgerämter und -büros weiterverfolgen
Zielgruppe: Mitarbeiter:innen in Behörden und Bürgerämter/ -büros
Quelle: Interviews, Resonanztests, Quantitative Studie
Adressat:innen der Empfehlung: BMI
Um die erste Nutzung der eID zu erleichtern, sollte eine unverbindliche und neutrale Testanwendung angeboten werden.
Nutzer:innen sind motiviert, direkt nach Erhalt des Ausweises die neue Funktion auszuprobieren, es fehlen oft relevante Anlässe in dem Moment; echte Anbieter kommunizieren den Ablauf teilweise nicht optimal und sind daher ein schlechter erster Einstieg.
Selbstauskunft um eine Browser- Komponente erweitern, um den Wechsel zwischen Anbieterseite und AusweisApp üben zu können.
Zielgruppe: Nutzer:innen, Mitarbeiter:innen in Behörden und Bürgerämtern/- büros
Quelle: Resonanztests, Quantitative Studie
Adressat:innen der Empfehlung: BMI
Um den ersten wichtigen Kontaktpunkt der Nutzer:innen mit der eID wertvoll zu gestalten, sollte die Broschüre zu eID, die beim Beantragen/ Abholen des neuen Personalausweises im Bürgeramt/ -büro ausgegeben wird, auf Basis von echtem Nutzer:innen-Feedback weiterentwickelt werden.
Die Situation des Beantragens oder Abholen des Personalausweises selbst kann lediglich zum Erregen von Aufmerksamkeit genutzt werden und nicht zur umfassenden Informationsvermittlung. Die Aufmerksamkeit kann zu einer Auseinandersetzung mit der eID konvertiert werden, wenn zeitnah eine wertvolle Information folgt, z. B. über die Broschüre.
Iterative Weiterentwicklung der Broschüre zur eID auf Basis von echtem Nutzer:innen-Feedback.
Zielgruppe: Nutzer:innen im Bürgeramt/ -büro
Quelle: Interviews, Quantitative Studie
Adressat:innen der Empfehlung: Kampagne
Um die Nutzung der eID attraktiver zu machen, können finanzielle Ermäßigungen oder der Erlass von Bearbeitungsgebühren eingesetzt werden.
Nutzer:innen wählen oft den bekannten Weg zum Amt, auch wenn sie diesen als lästig empfinden, weil sie sich nicht mit der technischen Lösung auseinandersetzen wollen und nicht genügend intrinsische Motivation dafür haben.
Vertesten von verschiedenen Ideen zur Senkung der Hürde, wie Gebühren ermäßigen oder erlassen, wenn Anliegen online erledigt werden.
Zielgruppe: Nutzer:innen
Quelle: Resonanztests, Quantitative Studie
Adressat:innen der Empfehlung: BMI, Länder, Kommunen
Die aus den qualitativen Interviews mit Nutzer:innen, Expert:innen und Mitarbeitenden in Verwaltung und Bürgerbüros entstandene Nutzungsreisen zeigen, dass die Akzeptanzprobleme der eID schon beim Erhalt des Personalausweises einsetzen. Die Nutzungsreise aus Sicht der Bürger:innen als PDF und die Nutzungsreise aus Sicht der Diensteanbieter als PDF. Unsere Haupterkenntnisse:
- Die Erfahrung auf dem Amt bei Beantragung eines neuen Personalausweises trägt nicht zu dessen Nutzung im digitalen Raum bei. Teilweise wird Bürger:innen sogar aktiv abgeraten, die Online-Ausweisfunktion zu nutzen.
- Der PIN-Brief zur Aktivierung der Online-Ausweisfunktion verwirrt die Nutzer:innen. Sie können seine Relevanz nicht einschätzen.
- Es vergeht zu viel Zeit, Monate bis Jahre, zwischen Erhalt des Personalausweises mit Online-Ausweisfunktion und der ersten Nutzung: die eID gerät in Vergessenheit.
- Es gibt zu wenig konkrete Anwendungsfälle, die zur Nutzung motivieren.
- Die initiale Nutzung der eID ist komplex, es fehlt an Übung und Erklärung.
- Es ist unklar, wie genau die eID genutzt wird.
Weitere Informationen in unserem Blogpost: Der Online-Ausweisfunktion zum Durchbruch verhelfen.
14. Mögliche Ansatzpunkte zur Anpassung von technischen eID-Richtlinien und der Personalausweisverordnung anhand von Beobachtungspunkten der User-Journey mit der eID
Dies ist ein Arbeitsstand aus der Pilotphase der BundesIdent App. Die übergreifende Zielsetzung der Ideen ist, das Nutzungserlebnis mit der eID wesentlich zu verbessern. Dazu schlagen wir vor, bestehende Entscheidungen zu hinterfragen und offen über mögliche Änderungen zu diskutieren.
Einer Ideensammlung wie dieser wohnt inne, dass die meisten Ideen wohl an der weiteren Validierung der Nutzerbedarfe, Sinnhaftigkeit oder Machbarkeit scheitern werden. Deshalb ist diese Sammlung von UX-Hürden und Ideen als Gedankenanstoß gedacht.
Die meisten Hürden und Ideen sind aus der Pilotphase der BundesIdent App entstanden, welche qualitative wie quantitative Nutzungsdaten generiert hat. Regelmäßige Tests mit Nutzenden sowie technische Explorationen haben diese Erkenntnisse ergänzt.
⚡️ Hürden
💡 Erste Ideen, die weiter zu validieren sind
- ⚡️ Nutzende erhalten einen neuen Ausweis und richten diesen jedoch nicht direkt ein beziehungsweise nutzen ihn nicht direkt.
- ⚡️ Nutzende bringen den PIN-Brief nicht in Verbindung mit dem Ausweis, den sie physisch im Bürgerbüro erhalten.
- 💡 Den Prozess in den Bürgerbüros analysieren und gegebenenfalls anpassen.
- PIN direkt im Bürgeramt setzen und/oder einen Service vor Ort nutzen.
- Hilfestellung für Nutzende anbieten, die nicht digitalaffin sind.
- 💡 Den zeitlichen Abstand und somit den Bruch zwischen Erhalt des Ausweises und Erhalt des PIN-Briefes eliminieren.
Relevante technische Richtlinien und Verordnung: BSI TR-03124 eID-Client, TR-03128 Teil 3 & PAuswV
- ⚡️ Nutzende erwarten bei der Funktion einer PIN-Rücksetzung das gleiche Nutzungserlebnis wie bei einer gewöhnlichen „Passwort vergessen“-Funktion. Der PIN-Rücksetzdienst sowie der CAN- und PUK-Flow erfüllt diese Erwartungen nicht.
- ⚡️ User-Flow über mehrere Produkte, Medien oder Anbieter kann verwirren:
- Der PIN-Rücksetzbrief leitet auf die Website, von der aus wiederum in die App weitergeleitet wird, in der die PIN eingegeben werden muss.
- Führung der Nutzenden über die externe Domain der Bundesdruckerei ist vorgeschrieben, da BDR als Anbieter des Dienstes festgelegt §7 PAuswG [4] (3a) ist. Zudem ist die Umsetzung in Form einer Website festgeschrieben.
- ⚡️ Die Kommunikation rund um den Aktivierungscode sowie eine neue PIN ist verwirrend.
- ⚡️ Briefversand verhindert Servicenutzung in einem konkreten Moment und erhöht die Abbruchquote stark. Der Briefversand ist
deshalb eine UX-Hürde.
- Zustellung des PIN-Rücksetzbriefes nach Überprüfung der Identitätsangaben durch Vorlage des Personalausweises vorgeschrieben, PAuswV [6] Neusetzen der PIN in §20 (2).
- 💡 Quick Fix: PIN-Rücksetzbrief direkt aus der App beantragen, ohne Wechsel zur Website.
- 💡 Alternativen für eine digitale PIN-Rücksetzung explorieren.
Relevante technische Richtlinie: BSI TR-03124 eID‑Client
- ⚡️ Nutzende verstehen den Unterschied zwischen einer fünfstelligen Transport-PIN und der sechsstelligen persönlichen Ausweis-PIN nicht. Nutzende verstehen nicht, dass die Einrichtung vom Ausweis abhängig ist und nicht vom Gerät (so kennen sie es von Banking- Apps).
- ⚡️ Nutzende verstehen daher nicht, dass die fünfstellige Transport-PIN nach einmaliger Eingabe verfällt. Nutzende geben die bereits verwendete Transport-PIN erneut ein, weil sie denken, sie müssen den Ausweis auf dem Gerät nochmals einrichten. Das technische Framework wiederum kann nicht feststellen, ob ein Ausweis bereits eingerichtet wurde. Dies führt dann zu einer Sperrung.
- ⚡️ Wir Es wird komplett den Nutzenden überlassen zu verstehen, ob sie den Ausweis bereits eingerichtet haben. Das führt dazu, dass sie gefragt werden müssen, ob sie eine fünf- oder sechsstellige PIN haben. Wenn Nutzende jetzt im CAN-Szenario landen, müssen diese wieder eine neue sechsstellige Nummer eingeben. Im schlimmsten Fall auch noch die zehnstellige PUK, da nur diese die erneute sechsstellige PIN-Eingabe freischaltet. Das stresst und frustriert die Nutzenden, da die Situationen, in denen sie sich ausweisen müssen, meistens dringend sind (Führungszeugnis, Grundsteuererklärung).
- 💡 Dem Framework die Möglichkeit geben, eigenständig zu erkennen, ob ein Ausweis bereits eingerichtet ist. So wird verhindert, dass ein Ausweis fälschlicherweise gesperrt wird.
- 💡 Anwendung der CAN hinterfragen beim Anwendungsfall, dass jemand seinen PIN tatsächlich vergessen hat. Hier kann auch ein direkter Link zum PIN-Rücksetzdienst hilfreich sein.
- 💡 Der Aufbau der CAN sollte sich von der persönlichen PIN unterscheiden bzw. die CAN auf dem Ausweis könnte z. B. mit einem Label versehen werden, um Verwirrung zu vermeiden.
- ⚡️ Das Scannen des Personalausweises ist eine neue Erfahrung für die Nutzenden. Es ist daher ein natürliches Verhalten, den Ausweis hin und wieder vom Smartphone wegzubewegen. Doch wenn der Ausweis während des Scanvorgangs entfernt wird, meldet das Framework eine Fehlermeldung. Der Scanvorgang kann weder automatisch noch direkt in der App erneut gestartet werden. Nutzende müssen die Identifizierung jetzt erneut beim Diensteanbieter starten. Dieser Medienbruch führt zu Verwirrung.
- 💡 Das Framework erlaubt bei einer Fehlermeldung den Scanvorgang automatisch bzw. direkt in der App auf dem Smartphone erneut zu starten.
Relevante technische Richtlinie: TR‑03112‑6 - eCard‑API-Framework
- ⚡️ Die Gerätekopplung der aktuellen Desktop-Version der AusweisApp2 (AA2) mit der mobilen Version der AA2 stellt eine sichere, jedoch schwierig zu nutzende Lösung dar, die sich nicht etablieren konnte. Beispiele für UX-Hürden: Beide Versionen der App müssen installiert sein, die Geräte müssen sich im gleichen WLAN befinden und die Kopplung als Vorgang selbst.
- ⚡️ Aus der Privatwirtschaft sind die Nutzenden einfache Flows für den Gerätewechsel gewohnt, die jedoch häufig mit nicht mitigierten Risiken des Phishings einhergehen. Private Diensteanbieter nutzen zum Beispiel einen QR-Code für den Gerätewechsel, jedoch ohne weitere Sicherheitsmaßnahmen.
- 💡 Für die Erarbeitung eines sicheren sowie nutzungsfreundlichen Gerätewechsels schlagen wir die Erprobung neuster Sicherheitsstandards wie WebAuthN oder auch die geräteübergreifende Identifizierung mit Hilfe eines Nutzerkontos wie der BundID vor. Erste Explorationen dazu wurden veröffentlicht.